Faupel: Welpenschutz für Start-up "Deichstadtvolleys" ist vorbei
Neuwied. Am 7. Oktober beginnt für die Deichstadtvolleys, den Bundesliga-Volleyballerinnen des VC Neuwied 77, die dritte Saison in der 1. Bundesliga. Die ersten beiden Jahre im Oberhaus verliefen für den Emporkömmling vom Mittelrhein sportlich erwartbar nüchtern. Nach einer sieglosen ersten Saison gelang 2022/2023 gegen den VfB Suhl mit 3:1 der erste Sieg in der Bundesliga, dennoch blieb am Ende erneut, wie schon in der Premierensaison 2021/2022, nur der letzte Tabellenplatz.
Zum Zurückschauen blieb derweil keine Zeit, denn die Verantwortlichen der Deichstadtvolleys hatten die nun beginnende dritte Bundesligasaison bereits unmittelbar nach dem Aufstieg als diejenige ausgerufen, in der sich mehr als nur erste kleine Erfolge gegen die etablierten Mitbewerber einstellen sollten.
Wir haben mit Manohar Faupel gesprochen. Im Interview mit der RZ-Sportredaktion spricht der Geschäftsführer der Deichstadtvolleys über die Entwicklung der Bundesligamannschaft, die strukturellen Veränderungen innerhalb des Vereins und die mittelfristigen Perspektiven des Volleyball Bundesliga-Standorts am Mittelrhein.
Herr Faupel, die Vorbereitung der Deichstadtvolleys hat Anfang August begonnen. Mit welchen Erwartungen startet der VC Neuwied in die Saison 2023/2024?
Die Erwartungshaltung ist klar: Die Azubinen müssen ihre Abschlussprüfung ablegen. D.h., wir stellen uns dem regulären Wettbewerb, die Zeit des Welpenschutzes ist vorbei. Das war im VBL-Aufsteigerprogramm auch so geplant. Verein und Mannschaft sollten drei Saisons Zeit haben, um in der Liga anzukommen. Sicher ist das in den ersten beiden Jahren teilweise sehr hart gewesen, aber jetzt gilt es den Blick nach vorne zu richten und in jedem Spiel maximal abzuliefern. Natürlich werden wir zusammen mit dem Team klare Ziele formulieren, aber darüber sprechen wir zunächst nur intern.
In Düsseldorf wurden im August die Vorrundenspiele der Gruppe C bei der Europameisterschaft der Frauen, unter anderem mit der deutschen Mannschaft, ausgetragen. Inwiefern hat sich für Sie persönlich und ihren Verein ein Blick auf die deutschen Spiele gegen Griechenland, Aserbaidschan, Schweden, Tschechien und die Türkei gelohnt?
Zunächst ist es immer etwas Besonderes, wenn im eigenen Land eine EM ausgetragen wird. Wir waren mit der gesamten Mannschaft in Düsseldorf und haben den Tag als Team-Event genutzt. Das war im Castello eine tolle Atmosphäre und logisch schaue ich auch unter dem Gesichtspunkt Eventisierung genauer hin - Ideen sammeln ist immer gut für die eigenen Events. Das türkische Team war das sportliche Highlight der Vorrunde (und der gesamten EM) - auch Schwedens Team war beeindruckend, Isabelle Haak ist einfach eine Urgewalt. Für unsere Mittelblockerin Linda Andersson aus der vergangenen Saison habe ich mich das Abschneiden der Schwedinnen sehr gefreut. Tragisch waren die beiden Ausfälle der deutschen Mannschaft und dann das Ausscheiden gegen Polen - nach dem erfolgreichen VNL-Sommer waren die Erwartungen hoch und die Enttäuschung entsprechend groß.
Sind unter den ausländischen Spielerinnen solche, die eventuell auch für die Deichstadtvolleys interessant und finanzierbar gewesen wären?
Da sind mehr als genügend interessante Profile dabei gewesen, ohne Zweifel. Aber finanzierbar: kaum - das gibt unser sehr schmales Budget nicht her. Mit den Mitteln, die wir haben, sind wir verständlicherweise noch die „kleinste Kerze auf der Torte“, dennoch haben wir es geschafft, sieben Spielerinnen zu halten und vier neue zu finden. Letztere passen sportlich und menschlich sehr gut ins Team, und dass wir in der Größe „gewachsen“ sind und in der Durchschlagskraft zugelegt haben, schadet uns sicherlich nicht. Von daher ist der ein oder andere Blick auf erfahrenere Spielerinnen immer gegeben, der Blick aufs Budget bringt uns aber wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Geld schießt zwar keine Tore, aber mehr Geld schießt am Ende doch häufig doch auch mehr Tore. Wie sehr gilt diese Gleichung auch im professionellen Volleyballsport?
Das kann man vom Fußball 1:1 übernehmen. Vom sportlichen Mittelfeld in der Volleyball Bundesliga Frauen trennen uns mindestens 500.000 €, wenn nicht noch mehr. In der Spitze sind es Clubs wie Stuttgart und Schwerin, die aufgrund ihrer Budgets kontinuierlich um Medaillen und internationale Platzierungen spielen. Aber man muss da ehrlich bleiben: Beide Clubs investieren seit Jahren in ein nachhaltiges sportliches und wirtschaftliches Wachstum und der Grad der Professionalität misst sich nicht nur an den Spielerinnen, sondern am Betreuerstab und vor allem an den hauptamtlichen Strukturen im Management. In dieser Beziehung macht Schwerin eine sehr gute Arbeit.
Mit welchen Etats können die Topklubs in der 1. Bundesliga planen, mit welchem Budget ist ein Novize wie der VC Neuwied im Geschäft zumindest mit den schwächeren der etablierten Klubs einigermaßen konkurrenzfähig?
Schätzungsweise sind es in der Spitze zwischen 2.5 Mio. und 3 Mio. €. Wir sind mit knapp 550.000 € ganz am anderen Ende angesiedelt und kämpfen erst einmal darum, damit die Saison komplett zu bestreiten. Gleichzeitig müssen wir weitere Mittel generieren, um unsere Vertriebsstrukturen aufzubauen. Natürlich ist das eine Zwickmühle: Noch keine echten Erfolge, das bedeutet weniger Argumente bei Sponsoringverhandlungen, ohne Budgetaufwuchs sind sportliche Erfolge schwieriger zu realisieren bzw. bleibt man auch hinter den vermeintlich „schwächeren“ Clubs zurück. Aber das sind die Herausforderungen eines Startups, denn so verstehen wir das Projekt: wir sind jung, sportlich ambitioniert, kämpfen jedoch aktuell mit wirtschaftlichen Faktoren, die jeder als Privatperson und Unternehmer zu Genüge kennt. Es muss trotzdem unser Ziel sein, mehr Unternehmen für uns zu begeistern. Positiv ausgedrückt: Für uns ist das Glas halbvoll und arbeiten daran, es weiter zu füllen.
Mit welchen Argumenten und Angeboten kann der VC Neuwied um die Verpflichtung von guten, vor allem jungen Spielerinnen für sein Team punkten?
„Bei uns spielst Du, wenn Du gut bist, und sitzt nicht auf der Bank.“, so könnte man unsere Rekrutierungsgespräche überspitzt zusammenfassen. Natürlich werben wir damit, dass wir jungen Spielerinnen die Chance geben, in der 1.Liga aufs Spielfeld zu kommen - wir haben uns das Label U23plus nicht umsonst auf die Fahne geschrieben. Daneben bieten wir ein sehr familiäres Umfeld in Neuwied, das startet bei den schön gelegenen, komplett eingerichteten Wohnungen und geht über Essenspartner bis hin zum Fuhrpark.
Dann haben wir von Anfang an auf eine exzellente medizinische Versorgung gesetzt: Das Klinikum Koblenz-Montabaur mit den beiden Chefärzten Axel Ruetz und Felix Post ist Mittelpunkt dieses Konzepts. Dazu kommen mit dem THZ in Koblenz und dem Medifit in Neuwied zwei Physiotherapie-Einrichtungen und 3 bis 4 Physios, die an Trainings- und Spieltagen um das Team kümmern. Ich glaube, da sind wir sehr gut dabei für einen Neuling und definitiv schon im Mittelfeld angekommen. Auch haben wir das Glück, dass ein hoch motivierter Mentalcoach aus Engers zu uns gestoßen ist, den das U23plus-Projekt von Anfang an fasziniert hat. Das montemare Andernach war schon in den ersten beiden Saisons der Wellnesstempel für unsere Spielerinnen, dass sie dort relaxen können, ist ein großes Plus für Körper und Geist. Jetzt übernimmt es auch noch als Fitness-Partner und rundet damit unser Portfolio ab.
Auf welchem Entwicklungsstand sehen Sie den eigenen Nachwuchs im Vergleich mit den bundesweit seit vielen Jahren arbeitenden Stützpunkten?
Ehrlich gesagt, sind wir da noch am Anfang. Sich mit der dauerhaften und ausgezeichneten Arbeit der Stützpunkte zu messen, halte ich deswegen nicht für sinnvoll. Dennoch können wir auch hier auf erste Erfolge verweisen: Unsere Regionalliga kam vom Absteigerplatz in 2021/22 und hat die vergangene Saison in der Aufstiegsrunde gut mitgespielt. Für eine Mannschaft, die zum großen Teil aus 16-18-jährigen Spielerinnen besteht, ist das beachtlich.
Unsere Jugend hat in verschiedenen Altersklassen erfolgreich performt. Hervorzuheben ist die U18 und U20: Mit beiden Teams waren wir bei den Deutschen Meisterschaften vertreten und haben einen beachtlichen 10. und 6.Platz erspielt. Die Krönung dieser Jugendsaison war dann sicherlich der 7 Nationen-Cup in Lüdinghausen: Unsere U18 hat sich dort gegen 11 Teams durchgesetzt und konnte nach zwei Tagen den Pokal in die Höhe strecken.
Das gilt es aber zu verfestigen, nur kontinuierliche Jugendarbeit führt zu nachhaltigen Ergebnissen und bringt uns dem Ziel näher, lokale/regionale Eigengewächse an die Leistungsspitze heranzuführen. Deswegen sind wir sehr glücklich, mit Benjamin Meßner Ende Juli einen neuen Vollzeit-Jugendtrainer für unser Projekt gewonnen zu haben. Er kommt aus der Ortenau, hat in Köln studiert und gearbeitet, zuletzt war er beim VC Offenburg als Trainer unterwegs. Mit ihm haben in der gleichen Woche zwei weitere Trainer*innen unterschrieben: Vanessa Nguyen kommt aus Konz und wird im Anfängerbereich einsteigen, Niclas Schlueter hat die Regionalliga übernommen und freut sich auf die Arbeit mit seiner neuen Mannschaft. Rebecca Dill und Michelle Husmann sind unsere beiden Konstanten im weiblichen Nachwuchsbereich und mit ihnen allen zusammen sowie Tigin als Sportlichem Leiter wollen wir in die Jugendarbeit des VC Neuwied 77 mehr PS auf die Straße bringen.
Sportlich wie wirtschaftlich, welche Perspektiven hat der professionelle Volleyballsport am Mittelrhein, und was müsste geschehen, damit der VC Neuwied für einen Platz im Play-off-Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft in Frage kommt?
Ganz klar braucht es weitere Sponsoren und Partner. Wir haben für die Nachwuchsarbeit im Verein und die ausgegliederte Bundesliga GmbH noch erheblichen Bedarf. Wobei wir auf eine Vielzahl von kleineren und mittleren Sponsoren setzen: Natürlich wehren wir uns nicht gegen einen Hauptsponsor, jedoch wollen wir auch hier kontinuierlich und solide aufbauen.
Ein Platz im Play-off-Viertelfinale der deutschen Meisterschaft? Mit 300.000 € zusätzlich wäre das sicher ein spannendes Szenario. Aber auch da gilt: Was nutzt uns der kurzfristige Erfolg, wir wollen uns sportlich wie wirtschaftlich nachhaltig in der Region etablieren. Dabei haben wir unser Potential noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft, von daher lade ich alle ein, sich unserem Projekt anzuschließen und uns zu unterstützen.